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Abstraktionsprinzip BGB

 

 

A. Das Trennungsprinzip


Durch den Abschluss eines Kaufvertrages wird zwischen den Vertragsparteien ein Schuldverhältnis begründet (vgl. § 241 BGB):

Der Verkäufer wird zur Übergabe und Übereignung der Sache verpflichtet, § 433 I 1 BGB.

Der Käufer wird zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, § 433 II BGB.


Der Kaufvertrag ist das Verpflichtungsgeschäft. Diesen Kaufvertrag nach § 433 BGB muss man gemäß dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip BGB von dem Erfüllungsgeschäft unterscheiden.

Wer einen Kaufvertrag über eine Sache abgeschlossen hat, hat die Sache deshalb noch nicht zu Eigentum und Besitz; er hat zunächst nur einen Anspruch auf Übereignung und Übergabe der Sache (Erfüllungsanspruch), sog. Abstraktionsprinzip BGB.


Nach dem Abstraktionsprinzip BGB folgt auf das Verpflichtungsgeschäft das Verfügungs- oder Erfüllungsgeschäft. Es erfolgen mehrere Erfüllungsgeschäfte:

  • Der Verkäufer verschafft dem Käufer durch Einigung und Übergabe Besitz und Eigentum an der Sache gem. § 929 S. 1 BGB. Die Verkäuferpflicht erlischt damit durch Erfüllung gem. § 362 I BGB.

  • Der Käufer übereignet dem Verkäufer das Geld gem. § 929 S. 1 BGB. Die Käuferpflicht erlischt damit durch Erfüllung gem. § 362 I BGB.


B. Die Abstraktheit der Verfügungsgeschäfte, sog. Abstraktionsprinzip BGB

 

Die Parteien eines Verfügungsgeschäfts (bei beweglichen Sachen nach §§ 929 ff. BGB, bei unbeweglichen Sachen gemäß §§ 873, 925 BGB) einigen sich nur darüber, dass das Eigentum übergehen soll.

Man muss dieses Erfüllungsgeschäft nach dem Abstraktionsprinzip BGB trennen vom Verpflichtungsgeschäft.

Diese Verselbständigung des Übereignungsvertrages und sein völliges Ablösen vom Kaufvertrag nennt man Abstraktionsprinzip BGB:


  • Die Einigung richtet sich ausschließlich auf die unmittelbar angestrebte Rechtsfolge (Übergang des Eigentums) und bezieht sich nicht auf den Rechtsgrund.

  • Die durch die Einigung herbeigeführte Rechtsfolge (Übereignung) ist von dem Vorliegen des Rechtsgrundes unabhängig. Die (Un-) Gültigkeit des einen Geschäfts bewirkt also nicht notwendig die (Un-) Gültigkeit des anderen Geschäfts, sog. Fehlerunabhängigkeit.  

C. Der Ausgleich: Bereicherungsrecht

 

I. Ungerechtfertigte Bereicherung gem. §§ 812 ff. BGB

 

1. Wenn der Kaufvertrag nichtig, die Übereignung jedoch wirksam ist, hat der Käufer "etwas", nämlich Besitz und Eigentum an der Sache, durch "Leistung" des Verkäufers erlangt (Leistungskondiktion gem. § 812 I 1 1. Alt. BGB). Das Bereicherungsrecht ist Folge des sog. Abstraktionsprinzip BGB.

 

2. Da der ganze Vorgang "ohne rechtlichen Grund" erfolgte, ist der Käufer zur Herausgabe der Bereicherung, hier also zur Rückgabe und Rückübereignung verpflichtet.

 

3. Das Bereicherungsrecht ist sehr milde ausgestaltet worden. Der Bereicherte soll nur die Bereicherung herausgeben und nicht in sein übriges Vermögen eingreifen müssen. Deshalb entfällt die Verpflichtung, wenn die Bereicherung weggefallen ist, der Bereicherte also entreichert ist gem. § 818 III BGB.

 

Vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (Klageerhebung) oder vom Zeitpunkt der Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes an unterliegt der Bereicherte einer verschärften Haftung gem. §§ 818 IV, 819 I BGB.

 

II. Rücktrittsrecht gem. §§ 346 ff. BGB

Das Rücktrittsrecht gem. §§ 346 ff. BGB schließt das Bereicherungsrecht aus. Denn der erklärte Rücktritt wandelt das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 346 ff. BGB um. Dies stellt einen rechtlichen Grund i.S.d. § 812 BGB dar.

 

 

D. Einschränkungen vom Grundsatz Abstraktionsprinzip BGB

 

Die Abstraktheit der Erfüllungsgeschäfte wird mehrfach eingeschränkt:

 

I. Fehleridentität

Eine Unwirksamkeit sowohl des Verpflichtungs-, als auch des Verfügungsgeschäfts wird in den Fällen der sog. Fehleridentität angenommen.

Bitte lest diese Fallgruppe der Fehleridentität in Eurem Skript/Lehrbuch nach!


II. Bedingung gem. § 158 BGB

Die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts kann - ausdrücklich oder konkludent - zur Bedingung des Verfügungsgeschäfts gemacht werden. Beispiel: Zusenden unbestellter Ware oder Aufstellen eines Warenautomaten. Bei diesen sog. Realofferten ist das Übereignungsangebot aufschiebend bedingt (§ 158 I BGB) durch die Annahme des Kaufangebots.

 

III. Einheit gem. § 139 BGB 

 

Umstritten ist, ob Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft eine Einheit i.S.d. § 139 BGB bilden können. Entgegen der Rechtsprechung lehnt die Literatur dies als unzulässige Umgehung des Abstraktionsprinzips (Abstraktionsprinzip BGB) ab.

 

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